An dieser Stelle, auf dem Büchelberg, stand das Haus meiner Ur-Großeltern Paul und Martha Blümel. Nur Reste des Hausfundamentes und einige Treppenstufen des Hauseingangs sind heute noch zu finden. Geht man ein paar Schritte durch den (ehemaligen) Garten den Berg hinauf, sieht man links in der Ferne die Kreisstadt Hirschbrich/ Hirschberg, das Riesengebirge und rechts unten den Ort Boberröhrsdorf. 

Unser Haus brannte nach der Vertreibung ab… Spätere, polnische Nachbarn haben ein paar Bücher sowie eine Taufurkunde gerettet. Diese gaben Sie meinem Vater 1991, anlässlich seines ersten Besuches, 45 Jahre nach der Vertreibung, die er als 12 jähriger Junge erlebte. Dies und die freundliche Aufnahme der jetzigen polnischen Bewohner des Nachbarhauses waren ein Lichtblick und Trost während dieses Besuches  der im vollkommenen Gegensatz stand zu den anderen Eindrücken: Elternhaus abgebrannt, Familiengräber nicht mehr vorhanden, Ehrenmal für die Kriegstoten abgerissen, Friedhof ruiniert, die Riesengebirgsmolkerei heruntergekommen, etc.. Dieser Besuch in der Heimat war ein Erlebnis, der einen dauerhaften Eindruck auch bei uns, den nachgeborenen (Schlesiern!), hinterlassen hat.

Vertreibung aus Schlesien!

An einem Sonntag rund ein Jahr nach Kriegsende, am 16. Juni 1946 wurde, wie fast alle anderen Menschen, auch unsere Familie aus Boberröhrsdorf im Riesengebirge, aus ihrer schlesischen Heimat vertrieben. Es wurde durch die neuen polnischen Machthaber mitgeteilt, daß der letzte Eisenbahntransport ginge. Wer mit diesem Zug nicht mitführe, der müsse die polnische Staatsbürgerschaft annehmen.  Meine Großeltern wollten dies, auch unter dem Eindruck der bisher erfahrenen Willkürherrschaft und Drangsalierungen der damaligen polnischen „Verwalter“  nicht, und verließen die Heimat. Nach dreitägiger Fahrt mit unbekanntem Ziel, am 19.Juni 1946, kam der Transport im Westen des Reiches an. Als Deutsche in Deutschland, entwurzelt. Einzig einige alte Fotos und persönliche Dokumente haben den Transport überstanden und sind bis heute im Familienbesitz…(Null..)

Transport Nr. 25 Wagon Nr. 44.      In dem Waggon waren 35 Personen wovon 13 Kinder waren. Darunter mein Vater mit 12 Jahren. Das genaue Ziel war bei Abfahrt unbekannt. Das Dokument der polnischen Behörden stammt aus dem Nachlaß meiner Großmutter Alma Blümel geb. Fruhner. Es trägt die Unterschrift meines Großvaters Ernst Blümel.

 

Vertreibungsdokument I Vertreibungsdokument II

 

Dem Buch „Das Flüchtlingslager Mariental (1945-1947)“ von Rolf Volkmann ISBN 3-00-001801-8 ist zu entnehmen, dass allein in diesem einen Zug transportiert wurden: Männer 394, Frauen 742, Kinder 513. Also insgesamt 1792 Menschen. Der Zug kam an am 19. Juni 1946. Die Menschen wurden verteilt nach Northeim und auf den Landkreis Braunschweig. „Insgesamt 58 Transporte aus Schlesien trafen im Juni 1946 im Durchgangslager Mariental ein.“ Entn. s.o.  Wer Interesse hat kann die Transportlisten dazu einsehen im Niedersächsischen Landesarchiv Wolfenbüttel. www.nla.niedersachsen.de/

Die Wahrheit und Aufrichtigkeit im Umgang miteinander und ein vereintes Europa sind der einzige Weg zu einem friedvollen Miteinander der Menschen. Diese Aufgeschlossenheit, vor allem der jüngeren Generation, erleben wir bei Besuchen im heute polnischen Schlesien regelmäßig. Jedoch hat man durchaus eine andere Wahrnehmung, wenn man die jeweiligen Stimmen der Politik in Presse und Fernsehen von Polen und Deutschland verfolgt. Dazu zählen auch bewusstes Verschweigen oder Verändern geschichtlicher  Tatsachen..